Keramik, da sind sich die meisten Menschen einig, soll vor allem eines sein: schön. Sie soll glitzern und leuchten, strahlen und perfekt rund gedreht und geschliffen. Jeder Keramiker wird uns bestätigen, dass er ständig auf der Suche nach der perfekten Ästhetik ist. Das mag den Laien erstaunen, bei den vielfach so unbeholfenen Resultaten. Aber davon abgesehen,
Hinterfragen wir einmal die Schönheit selbst
was ist eigentlich schön? und ist Schönheit harmlos? was bewirkt diese in Hinblick auf die furchtbare Angst, die einen Mann befällt bei dem Gedanken, jemand anderer könnte ihm seine bildhübsche Frau abspenstig machen? hat er Angst, steigt seine Aggressionsbereitschaft? Warum können wir nicht ohne das geringste Schreckensszenario im Kopf etwas Bezauberndes geniessen?
Keramik bewegt sich immer in einem Grenzbereich zwischen Schönheit und Bedeutungslosigkeit. Niemand misst ihr genügend Kraft zu, wirklich grundlegende Werthaltungen ins Wanken zu bringen. Keramik ist harmlos. Aber ist sie das wirklich?
Schaut man sich die ungeheuren Mengen an vergeudeten Ressourcen in der Massenproduktion an, wird schnell klar, dass es sich hier nicht um eine Suche nach Schönheit handelt. Es geht dort ausschliesslich um Geldmacherei. Und zwar mit Mitteln, die an die längst abgeschafften Prinzipien der Sklaverei erinnern. Es sind nicht einzelne Töpfer, die mit viel Konzentration aus Tonballen perfekte Gefässe drehen, sondern um Befehlsempfänger mit überhaupt keiner gestalterischen Freiheit. Brutal gesagt um menschliche Maschinen, wenn es nicht gar Roboter sind, die die Tischkeramik im Alleingang herstellen, und sogut wie ohne den Menschen auskommen.
Was ist es also, was der Schönheit anhaften kann, was so beunruhigt?
Es ist die Tatsache, dass wir sie nicht erreichen können. Wir können sie uns nicht überstülpen, der Besitz der schönsten Frau der Welt macht aus ihrem Besitzer keine Apollon.
Eine Frau wird hingegen an ihre eigenen Schönheitsfehler erinnert. Suchmaschinen werden bei dem Begriff “beauty” junge Frauengesichter und Kosmetikprodukte vorzeigen. Sie wird sich vergleichen, abwägen, sich irgendwie ertappt fühlen, wenn sie es mit etwas aussergewöhnlich Schönen zu tun hat. Makeup, Schmuck, die ganze Modeindustrie leben ja davon, dass einer schöner sein will als der andere. Nicht selten ruinieren Menschen ihr Leben, um die Gesichtszüge chirurgisch zu verändern. Die Schmerzen, die ein abgehobelter Kinnknochen oder eine abgeschnittene Nase verursachen, möchte ich mir lieber nicht vorstellen.
Es geht um etwas eigenartig zweischneidiges bei diesem Thema. Den Genuss beim Anblick von Schönheit, und den schmerzhaften Gefühlen der Unzulänglichkeit, die sich bewusst oder unbewusst, sehr schnell einstellen.
Neid
Scham, die eine derartige Herausforderung darstellt? Oder gönnen wir sie ganz einfach niemand anderem, soll sie uns allein gehören wie Helena dem
Verlangen; man möchte sie besitzen
Angst, diesen mühsam erkämpften Besitz zu verlieren. Es wird ein dementsprechend hoher Aufwand zum Schutz und der Verteidigung des Schönen Objekts mobilisiert.
Mit der Schönheit ist es wie mit der Gesundheit: hat man sie, ist sie selbstverständlich. Erst mit dem Fehlen wird der Wunsch nach ihr dringlich.
Schönheit ist vor allem eine Herausforderung zur Veränderung
Sie ist das sichtbare Produkt einer Anstrengung in eine Richtung, die ich hier die Richtung des Idealen nennen könnte. In Bezug auf die Keramik, oder auf die Malerei, erkennt man ein geglücktes Werk.
Um dieses überhaupt erst hervorzubringen zu wagen, braucht es- wie bei allen Veränderungen- Mut und Phantasie. Und diese Eigenschaften sind unbeliebt. Jemand der Visionen hat, wird zum Augenarzt geschickt, anstatt dass man ihm zuhört. Dann würde man nämlich feststellen, dass der Utopist, ganz im Gegensatz zum Fatalisten, das Wohlergehen aller Menschen auf der Welt im Auge hat.
Ilija Trojanow nennt geglückte Projekte auf dem Weg zu einem weiseren Umgang mit der Lebenszeit des Menschen “Inseln der Utopien”. Er nennt etwa die Kibbuzzim in Israel. Diese Inseln haben dem unglaublichen Druck von aussen nicht standgehalten, was aber nicht heisst, sie wären nicht gelungen.
Schönheit in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs
Wir haben den Weg in das Digitale Zeitalter begonnen. Mit den neuen Arbeitsbedingungen, erscheint es sinnvoll, dass auf demokratische Weise der Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfeinern. Die Dekoration der unmittelbaren Umgebung wird von einem anonymen Arbeitsfeld zu einer sehr individuell gestalteten Denk-und Arbeitsraum. So kann sich jeder mit sehr wenigen Einzelstücken, die von bestens ausgebildeten Künstlern mit Gegenständen umgeben, die seinen kultivierten Geist unterstreichen. Schon jetzt erleben NFT Hintergründe bei Online-Meetings eine immer grössere Rolle. Für uns Keramiker sind es Skulpturen und edle Gebrauchsgegenstände, die eine Bereicherung in Bild bringen.