Was ich eigentlich genau mache, werde ich oft gefragt
Im Leben mit meinen Kindern wurde mir klar, was für eine Anstrengung es ist, dass sich dieser kleine Mensch daran gewöhnt, mit einem Teller, einem Glas, einer Tasse, so sorgfältig umzugehen, dass er nicht zu Boden fällt und vorzeitig nutzlos wird. Das Feingefühl, die Koordination, die dafür nötig sind, einen zerbrechlichen Gegenstand mit Geschick zu handhaben, ist für Kinder eine Herausforderung. Es gibt für sie auch keinen Grund, nicht aus einer Plastikschüssel zu essen. Die entsprechende Einstellung ist es, die der Ausgangspunkt sein muss für einen jahrelang dauernden Prozess. In meiner eigenen Kindheit hatte meine preussische Grossmutter jeden Morgen zum Frühstück eine frische weisse Tischdecke aufgelegt, sonnengetrocknet und gebügelt, in die Mitte des Tisches eine Kerze gestellt, daneben eine Blumenvase mit Wiesenstrauss, und für uns beide ihr Meissner Porzellangeschirr. Sie hatte eine eigene, besondere Tasse, an der eine Kurve etwas tiefer geschwungen war, und ich eine schlichtere runde.
Selbstgekochte Marmelade war in bestimmten Dosen mit speziellen Löffelchen, die Butter auf einer kleinen Butterplatte, in einem Korb die knusprigen Semmeln. So war es jeden Morgen. Wir sassen da, angestrahlt von der Morgensonne, und kamen von den Träumen und der wunderbaren Harmonie des Tischgedecks gar nicht mehr aus dem Fabulieren heraus.
Ein solches Szenario auf die Bühne des Tisches zu entwerfen, ist das Ziel meiner Arbeit. Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich stetig auf dieses Ziel zu.
Meine Beweggründe
In dem Beruf des Keramikers investiere ich, genau wie alle anderen Töpfer:nnen auf der Welt, extrem viel Zeit in die Entwicklung ganz einfacher Gegenstände. Dabei sind folgende Kriterien ausschlaggebend:
Form, Grösse, Gewicht, Originalität
Farbe und Musterung, insgesamt also die Oberfläche
Nützlichkeit, der praktische Aspekt
Dauerhaftigkeit. Je länger ein Mensch einen Gegenstand besitzt, ihn nicht wegwirft und keinen anderen gebraucht, desto schonender ist das für den Planeten.
Umweltschützerisches Denken und verantwortungsvoller Umgang mit den Rohstoffen stehen für mich immer im Vordergrund. Mein Beitrag zu der Verlangsamung der Welt besteht in einem Verzicht auf ein hohes Einkommen. Dabei gewinne ich bei der mitunter mühevollen aber frohen Arbeit mit dem Werkstoff ERDE an Lebensqualität. Dass ich dabei als Kleinstunternehmerin nicht allein bin, erfährt man im folgenden kurzen Video:
Aber was ist das nun genau, was ich mache?
Keramiker arbeiten mit der Berührung. Sie tasten, fühlen, spüren. Keramiker erforschen unablässig die grenzenlose Vielfalt von Materialmöglichkeiten. Wird etwas nicht so, wie sie es wollen, wird der missratene Gegenstand im Wasser wieder zu Matsch eingesumpft, und nach dem Austrocknen neuerlich als formbare Masse wiederverwertet.
Wie in der Erarbeitung von Formen die Wirklichkeit überhaupt eine Rolle spielt ist schwer zu sagen. Eventuell findet man eine vergleichbare Gedankenwelt bei der Musik, die so vergänglich dahinplätschert, immer in Variationen der selben Tonlandschaft.
Es ist Abbild von Rythmus. Keramik ist real, greifbar, in ihr spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Sie verbindet den Atem der Künstlerinnen, die immer auf der Hut sein müssen, damit ihr weicher Ton nicht zu früh vertrocknet, und die ganz genau wissen müssen, wann sie welche Teile bearbeiten können, ohne, dass sie ihre gewollte Form verlieren und ganz zerfliessen.
Vorstellung einer Kollegin aus dem fernen Lettland:
Ist der Gegenstand aus kleinen abgerissenen Tonstücklein mit den Fingerspitzen aufgebaut wie gestrickt, entwickelt die Künstlerin Dinge, die Gemeinsamkeiten aufweisen mit etwa gehäkelten Textilien. Oder sie dreht den Ton auf einer Töpferscheibe, die eher mit einem Gewebe vergleichbar wären, in dem Schussfäden und Kette in einem einzigen Ganzen verbunden werden. Auf der Töpferscheibe gedrehte Gefässe sind in ihrer Perfektion und Abgeschlossenheit der Imagination weniger zugänglich. Es sei denn, sie werden nachbearbeitet- verzogen, gedrückt, zerschnitten und in Segmenten weiterverwendet, wieder irgendwie aneinander gestückelt und verdreht. Ausgangselement ist hierbei immer der Kreis und seine wundersamen Geometrien.