ASTRID ZWICK

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gedankliche Ausgrabungen

Gartenkünstler bei der Arbeit

Wie ein Maulwurf untersuche ich die Orte meiner Arbeitswelt genau! Und bei meiner Beschäftigung mit dem Verfassen von Texten, die ich in den Äther schicke, umgewandelt in Mathematik, komme ich nicht darum herum, die Spielarten des 0 und 1 verstehen zu wollen. . Immer den Satelliten im Auge, der von unendlich grossen Servern in einer amerikanischen Wüste bestrahlt wird, und der in meinen Computer vor meiner Nase zurückstrahlt, fühle ich mich eigenartig exponiert.

Die wunderbare Weiblichkeit der digitalen Welt

Im Gespräch mit einigen von mir geschätzten Männern erfahre ich, dass sie vor noch nicht sehr langer Zeit den digitalen Geräten sehr skeptisch gegenüberstanden. Das sanfte Streicheln einer blitzblank schimmernden Glasoberfläche- das machen so nur Frauen, höre ich von gestandenen Männern meines Umfeldes.

Digitale Geräte sind glitzerig, sauber, glatt, und vor allem leise! Nichts an ihnen entspricht dem Image der rauen Männerwelt. Kein Staub, keine rohe Robustheit, kein ohrenbetäubender Krach. Sie sind fein und zerbrechlich, wer sie grob anfasst, zerstört sie unwiederbringlich . Smartphones sind zickig und vertragen so gut wie keine Gewalteinwirkung, Durchquerungen von Wildwasserbächen tun ihnen ebenso wenig gut wie der Schlamm einer Motorradfahrt durch den Dschungel.

Es hat lange gedauert, ehe sich Handyproduzenten endlich von den winzigen Druckknöpfen der Tastatur des Renegaten Blackberry verabschiedeten.

Für die meisten Frauen ist das smartphone eine Verlängerung der Handtasche. Ein Schmuckstück, das nicht umsonst so manche schon als Halskette trägt.Gut sichtbar, glitzernd und sogar mit phantsievollen kleinen Anhängern verziert.

Soviel ich es beurteilen kann, sind die Damen meistens vorsichtiger mit dem Herausrücken ihrer Privatadressen, der Lieblingsfarbe oder ihrem wahren Geburtsdatum. Das waren sie schon immer. Also zusammenfassend glaube ich, es gelingt Mädchen und Burschen heute gleich gut, mit der Digitalität umzugehen.

Vielleicht hilft uns aber das Smartphone dabei, Fortschritte im Umgang miteinander zu machen,so meine Überlegung, indem Ethiker und Philosophen ihre Erkenntnisse allen Menschen zugänglich machen, und Gesetze geschaffen werden, dass die neuen Standards auf eine solide Basis gestellt sind.

Besonders die sozialen Netzwerke gilt es als gesetzlich geregelten Raum unter die Lupe zu nehmen, Und dort gibt es noch weites Neuland. Etwa hinsichtlich der Frage, wie wahr eigentlich dort auftauchende Inhalte sind. Zufällig höre ich in einer Radiosendung Folgendes:

Was ist Wahrheit- Philosophin Natalie Knapp

Zusammenfassend erklärt die Denkerin ihr Werk folgendermassen:

Jeder hat seine eigene Wahrnehmung aber es gibt nur eine einzige Wahrheit, die in einem öffentlichen Raum verhandelbar ist- sie ist sozusagen der gemeinsame Boden, auf dem wir uns immer treffen können.

Wahrnehmung und Wahrheit sind nicht kongruent und stimmen NUR beispielsweise im Schmerz genau überein. Wenn es nicht nur um mich selbst geht, wenn Menschen sich auf etwas einigen müssen, dann reicht die eigene Wahrnehmung nicht mehr aus. Gemeinsame Parameter sind entscheidend für das Miteinander Leben. Auch wenn wir mit den Standpunkten von jemandem nicht einverstanden sind, müssen sich alle Diskussionen um die einzige Wahrheit herumbewegen, und sich ihr so gut es geht annähern.

Wie erkennen wir Wahrheit’

Abgesehen von richtig und falsch gibt es sehr viele Abstufungen wie Menschen eine Situation erleben. Im normalen Leben nehmen Menschen nur sehr wenig tatsächlich wahr. (Pro Sekunde stürmen 50 Millionen bits pro Sekunde auf uns ein; 12-50 davon können wir bewusst verarbeiten. Was genau jeder auswählt ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Niemand sucht die selben Dinge aus, die er relevant findet. Die ganze Wahrheit kann eigentlich gar nicht erfasst werden.

Wirklichkeit, Möglichkeit, Virtuelles

Unsere Welt ist eine der Gerüche, Oberflächen, des Geschmack. In den 12 Jahren, in denen das Smartphone existiert, haben wir noch nicht gelernt, diese Welt einzuchätzen.

Im Theater, Kunst wird etwas verhandelt, was möglicherweise so stattgefunden haben könnte- eine Essenz von Liebe etc. werden abgebildet, die in der Wirklichkeit nicht so sind- Verkörperung, in die tausende Geschichten eingeflossen sind. Es kann zwischen Menschen ein Erleben der Wahrheit geben. Menschen können ja entscheiden, was er für sich wichtig findet, und was nicht.

Auswahl wird für ein für-wahr-Halten

Die Wahrheit in Frage zu stellen geht deshalb nicht, weil wir diesen gemeinsamen Raum brauchen. Wir sind Beziehungswesen. Mit Eltern, Geschwistern, der ganzen Kultur, demGedächtnis der Tradition müssen wir uns einig sein, beziehungsweise einigen können. Davon wird unser Leben bestimmt.

Dass etwas Sinn macht, auch als Selbstwahrnehmung, ist für uns von grösster Bedeutung, und dafür bauen wir auf das Wissen, dass wir uns an der Wahrheit orientieren können. Wir orientieren uns selbst in der Welt nur dadurch, dass die anderen Menschen etwas zurück spiegeln, was wir annehmen Orientierungspunkte. Wir sind auf diese Interaktionen angewiesen, die uns Sicherheit geben.

Es gibt keine Entscheidung, die für die anderen Menschen keine Bedeutung hat. Alles hat auch für die anderen eine Bedeutung. Wir brauchen die Gewissheit, dass Menschen, von denen wir etwas lernen möchten, uns nicht anlügen. Dieses Vertrauen, dass uns diese Menschen die Wahrheit sagen, ist die Grundlage fürs Lernen. Erst wird das Getestet, zB auch bei Lehrern von Kindern. Erst mal Misstrauen, dann kann ich ihm erst vertrauen, dass ich von dem was lernen kann.

Immer die Wahrheit sagen?

Man müsste eigentlich! dazu gibt es aber ein Gedanken-Experiment: man stellt sich vor, man hat eine jüdische Familie versteckt, es ist 1940, es klopft, die SS fragt ob man jemanden versteckt hat. Würden sie dann die Wahrheit sagen?

Wahrheit ist nur ein Wert unter vielen. Überleben und die Stabilität der Psyche übertrumpfen die Wahrheit. Es muss immer eine Werteabschätzung geben. Man hat Angst um die Stabilität seines Lebens, und muss diese schüthen. Auch eEin Kind lügt, um die Liebe seiner Eltern nicht zu verlieren; Freundschaft will man nicht verlieren, etc. Man darf also die Wahrheit nicht immer sagen.

Ein anderes Besipiel: die beste Freundin kommt mit einem neuen Mantel, der mir nicht gefällt. Was saage ich ihr? Jetzt ist es wichtig, die Verletzbarkeit der Psyche der Freundin zu berücksichtigen, die sich vielleicht abgelehnt fühlt, wenn ich ihr das sage. Nicht die Wahrheit sagen! Alternative suchen - und geschicktausweichen! Mensch, wo hast su denn den gekauft! So wird die Freundin nicht verletzt. Es gibt solche Kulturellen Ausweichtechniken, die wir auswendig lernen müssen. Sie sind wichtig! Selbst den wichtigsten Menschen unseres Lebens darf man nicht alles sagen, und es kommt darauf an, wie wir es sagen, und in welcher Situation.

Manches ist in Gesellschaften ein Tabu. Wenn es um etwas geht, was so wichtig ist, dass man keinesfalls möchte, dass es zerstört wird, sollen wir es mit allen Mitteln schützen, meint die Philosophin, auch mit Lügen!

Voila, meine Überlegungen, gefunden in den Radiowellen, die sich in meinem Atelier den ganzen Tag herumtreiben, und aufgefangen wegen dem direkten Bezug zu meinem Leben als Erbauerin von Gefässen aus Keramik.

Übrigens stimmt es wirklich, dass ein Maulwurf seit einigen Wochen die Rasenfläche in unserem Garten in eine hügelige Miniaturlandschaft verwandelt hat :)