ASTRID ZWICK

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Wie ich zur Keramik fand

Kindheit

Um ganz ehrlich zu sein, beginnt meine fortwährende Neugier, immer mehr über Keramik zu erfahren, bei einem Besuch bei meinen Grosseltern in Deggendorf, in Bayern. Dort steht heute noch das Haus, für das mein Grossvater aus Wien die Pläne gezeichnet hatte, und in dem meine Grossmutter mütterlicherseits mit strenger Hand regierte. Das Porzellan war der einzige Besitz, der aus der Zeit vor dem Weltkrieg von der Grenze zur Ukraine in die Zukunft gerettet worden war

Es ist eine komplizierte Geschichte, die mich schon über 50 Jahre lang beschäftigt. Beim Betreten des grossen Wohnzimmers, überfiel mich ein nicht endendes Staunen.

Beeindruckt von der Sammlung

Die ganze Vitrine widerspiegelte das Sonnenlicht vom der gegenüberliegenden Fensterband. Da stand ich wie verzaubert, hypnotisiert von einer Schönheit, wie ich sie selbst bei meinen vielen winterlichen Besuchen im Kunsthistorischen Museum in Wien noch nie erlebt hatte. Als ich meine Grossmutter hinter mir stehend wieder wahrnehmen konnte, sah ich zu ihr hin, und fragte :”was ist das?”. Die Frage war natürlich nicht zu beantworten, weil darauf ein einziges Wort genügt hätte. Genauso war allen klar, dass ich ganz etwas anderes wissen wollte, und das hatte eher mit dem Warum zu tun. Warum steht hier Geschirr in einer Vitrine, als wären es Kronjuwelen. Ich war verwirrt. Meine Eltern waren kreative Menschen, die Wert legten auf Schlichtheit. Das Geschirr meiner Grossmutter war viel einfacher, ohne Goldrand. Ein paar magere Blümchen hie und da.

Konkrete eigene Erfahrungen mit dem Material Ton

Studienzeit

Während der Studienzeit auf der TU in Wien habe ich die zum ersten Mal Modellierton in den Händen hatte. Wir hatten damals wöchentlich Unterricht bei einem Bildhauer namens Frantisek Lesàk. Der Gegenstand hiess “Plastisches Gestalten”.In der einen Ecke eines fensterlosen Raumes stand eine riesenhafte Holzkiste mit Klappdeckel, wo sich eine Tonne Modelliermasse befand. Von der Luke weit oben im Dachstuhl kämpfte sich das Licht hinunter auf den geölten Holzboden und musste bei der Hälfte aufgeben. Wir Studenten gingen also quasi bis zum Oberkörper in Dunkelheit. Es war still. Ein Assisten kam herein, befahl uns, dass jeder sich einen Modelliertisch hinter einem Paravent hervorholen sollte. Mitten im Raum stand eine Plastik. Es war jedemal ein geometrischer Körper, ein Würfel, jedes Mal anders aufgestellt. Das war der Gegenstand, den wir innerhalb von zwei Stunden so genau wie möglich nachbilden sollten.

Besonders beeindruckend war für mich die Prüfung. Dazu musste ich allein in demselben Raum an einem drehbaren Modelliertisch stehend, einen Würfel nachbilden. Ohne Werkzeug. Ohne Mass. Mein Mass waren meine Hände, meine Finger, die Augen glichen ab, verwandelten sich in strenge Raster, an deren Linien die kleinste Abweichung sich schnitten

Gestalten ist mein Leben

glücklich beim Malen, Zeichnen, Formen, Schreiben. Hier eines meiner Guachen, aus der Erinnerung als Skizze für ein Figurenprojekt. Der wöchentliche Zeichenunterricht bei Irene Zemp in Bern gab wesentliche Impulse für die Wiederaufnahme meiner künstlerischen Arbeit,

Seelenwelt und Aussenwelt

In diesen Stunden konnte ich alle Sorgen vergessen. Die Hainburger Au, die Demos, das Kernkraftwerk, die Freunde, das Herumirren in der Stadt. Am liebsten wäre ich dort geblieben, hätte mich in einer Nische versteckt und einsperren lassen, in diesem Himmel auf Erden, nur um weiter zu schaffen. Es war damals eine unruhige Zeit für mich, der eiserne Vorhang zeigte langsam Brüche. Der Druck der jungen Leute hinaus aus dem sozusagen umzingelten Niederösterreich war enorm. Wie oft fuhr Clemens Andel, der in der Lehmden-Klasse mit meinem damaligen Freund Malerei studierte, mit einem schrottreifen Auto an die Tschechische Grenze zum Wein kaufen. Wie diszipliniert flanierten wir an den Stacheldraht Zäunen der Ungarn hin und her, absichtslos, mit aller Kraft entspannt und ja nicht zu fröhlich. Im Burgenland besuchte ich ein paar Mal einen Kollegen, der Statist am Burgtheater war, Martin Pail, der heute wunderschöne Fotografien macht. Er studierte Philosophie, mein Freund Hannes Klocker Kunst, ich Architektur. Wobei ich sagen muss, dass ich mir in der Welt der “Männer die bauen” sehr früh keinen Platz vorstellen konnte.

Disziplin hatte ich schon früh gelernt. Und das bedeutete, das Studium abschliessen, erwachsen werden, Verantwortung übernehmen für andere Menschen. Und damit begann eine lange Reise in die Welt hinaus, die für mich eine Schuhnummer zu gross war.. Viele Jahre lang kam ich überhaupt nicht mehr dazu, mein Wissen über die Gestaltung von Räumen anzuwenden. Die Geburten meiner drei Kinder erforderten meine gesamte körperliche Kraft. Diese hilflosen kleinen Wesen auf die Beine zu bringen, das war mein bisheriges Lebenswerk. Ich wollte meine Zukunft nicht allein unter fremden Menschen verbringen müssen, wie es meinen Grosseltern ergangen war. Mein Traum war, im Kreise meiner Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder, eingebettet zu sein. Sicherheit und Geborgenheit. Das war und bleibt mir wichtig. Es sollte zwanzig Jahre dauern, bis ich von einer unsichtbaren, grauen Hülle wieder zu einem Menschen wurde. Erst musste ich wieder einigermassen zu Kräften kommen, und die Zügel meines Lebens als Gestalterin mit Dankbarkeit und Zuversicht in die Hände nehmen.

Über meine Erfahrungen bei meinem Auslandsstudium in Raleigh, North Carolina, mein Leben während fünf Jahren in Boston, Massachussets, den Umzug in die Schweiz, und den Bau unseres Hauses wird im nächsten Blog-Baustein nächsten Sonntag zu lesen sein !